03.11.2023
Die Stadtverwaltung Kehl hat ihre Stellungnahme zum Antrag der Betreiberfirma Sénerval der Straßburger Hausmüllverbrennung veröffentlicht. Sénerval beantragt die Genehmigung, für weitere drei Jahre von den gesetzlichen Grenzwerten bei gesundheitsrelevanten Emissionen abweichen zu dürfen. Der von der Stadt Kehl beauftragte Gutachter kommt zu dem Ergebnis, dass die Anlage weit hinter technischen Standards zur Minimierung der Emissionen von Dioxinen und Quecksilber liegt und ein Nachrüstungsbedarf überfällig ist. Damit sehen sich die BI Umweltschutz Kehl und das BUND-Umweltzentrum Ortenau in ihrer ablehnenden Stellungnahme bestätigt.
„Die Emissionsmessungen zeigen, dass bei Quecksilber und Dioxinen/Furanen selbst die seit langem geltenden Grenzwerte nicht dauerhaft und sicher eingehalten werden“, so der Gutachter. Angesichts des Zeitrahmens verwundere es, dass offenbar noch nicht entschieden sei, welche Technik nachgerüstet werden solle. Wichtig sei, dass nicht allein die Frage von Kosten und Umrüstungszeit eine Rolle spiele, sondern auch die Wahl einer möglichst effektiven Technik. Es sei außerdem unverständlich, dass eine Nachrüstung der Anlage auf diesen Standard nicht längst begonnen wurde. Auch dem Gutachter der Stadt Kehl sind „keine in Deutschland betriebenen MVAs (Müllverbrennungsanlagen d. Vf.) bekannt, die das Prinzip der Adsorption (z.B. Schlauchfilter mit Reagenzieneinspritzung) nicht schon seit Jahren umgesetzt haben.“
Die begleitende Information der Stadt Kehl zur Veröffentlichung ihrer Stellungnahme geht allerdings nicht auf die erwähnten kritischen Punkte ein. Vielmehr zitiert sie breit ein Informationsschreiben der Eurometropole Straßburg (EMS), das inhaltlich für eine Genehmigung von drei weiteren Jahren Überschreitung der Grenzwerte wirbt. Angesichts der gesundheitsgefährdenden Emissionen halten die Umweltverbände die kritiklose Übernahme der Position der EMS für sehr befremdlich. Der Rat der EMS hatte erst Ende Juni 2023 auf Grund ihrer Bauherrenpflicht den Rahmen und den Zeitplan der Maßnahmen an der Verbrennungsanlage festgelegt. Die EMS habe insofern einen wesentlichen Anteil an der desolaten Situation. Entsprechend macht Sénerval in ihrem Antrag die EMS wegen der späten Entscheidung dafür verantwortlich, dass die Grenzwerte nicht fristgemäß eingehalten werden können.
Die Verschärfung des seit 2014 geltenden Grenzwertes der europäischen Richtlinie für Industrieemissionen (IED) für Dioxine/Furane von 0,1 ng/m³ kommt jedoch nicht überraschend. Der Durchführungsbeschluss der Europäischen Kommission zu den „Besten verfügbaren Techniken (BVT)“ bei der Abfallverbrennung wurde bereits am 12. November 2019 mit einer vierjährigen Übergangsfrist veröffentlicht. Demnach ist der strengere Grenzwert von mindestens 0,08 ng/m³ ab dem 12. November 2023 einzuhalten. Das überarbeitete BVT-Merkblatt wurde in Frankreich mit der ministeriellen Verordnung bereits am 12. Januar 2021 umgesetzt. Auch hier sind inzwischen über zweieinhalb Jahre vergangen, ohne dass Sanierungsmaßnahmen begonnen wurden, so die beiden Ortenauer Umweltorganisationen.
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